Der Große Lafayette

Der Skurrilste von allen  

 

 

 

Amerikanischer Zauberkünstler

deutscher Abstammung

1871 ‑ 1911

Gerade Zauberkünstler wissen, dass es oft auf den Blickwinkel ankommt, aus dem heraus etwas betrachtet wird, und dass vieles zumindest zwei Seiten, wenn nicht sogar mehr, hat. An dem heute hier kurzporträtierten Helden scheiden sich die Geister. Die einen nennen ihn skurril und meinen außergewöhnlich und eigenwillig, die anderen geben diesem Attribut eher die Bedeutung von merkwürdig und befremdlich.

 

Will Goldstone, zu seiner Zeit eine Autorität der Zauberkunst, nannte ihn den meistgehassten Zauberkünstler, der je gelebt hat. Unser Protagonist Nr. 5, der berühmte Harry Kellar, dagegen fand zur gleichen Zeit in einem Brief an Houdini nur lobende Worte über ihn. Apropos Houdini, unser Held der letzten Ausgabe, war sein Freund, der ihm ein ganz besonderes Geschenk machte: ein Hündchen.

 

Siegmund Ignatius Neuburger wird in München geboren. Die Familie wandert in die USA aus und Siegmund startet seine Karriere als Kulissenmaler. Beeinflusst von Ching Ling Foo, von dem wir in dieser Serie später noch hören werden, tritt er als dessen Imitator, als Kunstschütze und mit Kostümwechseln auf. Doch sein Erfolg bleibt eher bescheiden, weshalb er 1900 wieder auf den alten Kontinent wechselt.

 

Fanfarenstoß ­ – Knatternd rollt aus der Seitenkulisse ein Automobil auf die Bühne des Londoner Hippodroms – seinerzeit ein sensationeller Anblick. Und ihm entsteigt: Der Große Lafayette, der vor pompösen Kulissen mit Menschen in prächtigen Kostümen, wilden Tieren und rätselhaften Apparaturen ein Feuerwerk fantastischer Illusionen entfacht, das genau den Publikumsgeschmack einer varietébegeisterten Epoche trifft. 

 

Der Große Lafayette, eine exaltierte, exzentrische und schillernde Persönlichkeit, der die Welt zu Füßen liegt und die zum bestbezahlten unter allen Zauberkünstlern der „Goldenen Epoche“ aufsteigt. – Ist das wirklich die Metarmorphose des Siegmund Neuburger in die Kunstfigur Der Große Lafayette. Oder ist das nur Showbusiness – nur eine Rolle – nichts weiter als ein Kostümwechsel? ... Eine reiche, extravagante Person, die zudem sehr distanziert auftritt, wird leicht als überheblich und arrogant angesehen. Was auf die einen als prunkvoll wirkt, empfinden andere als protzig. Wie auch immer – Auf jeden Fall hat er Den Großen Lafayette perfekt in Szene gesetzt.

 

Beauty das Hündchen, das ihm Houdini schenkte, ist das Ein und Alles des Junggesellen. Er vergöttert den Hund, den manche Autoren als Terrier bezeichnen. In Wirklichkeit ist es eine Promenadenmischung, was für einen Hund in bessergestellten Kreisen natürlich eine Beleidigung darstellt. Deshalb bezeichnet ihn Lafayette auch als „Gheckhund“: eine seltene Züchtung von der nichtexistierenden Insel Gheck in den Azoren. Beauty hat Annehmlichkeiten, von denen Normal-Sterbliche nur träumen können. Er ist mit Diamanten behängt und wird von einem eigenen Butler umsorgt. Beauty stirbt 1911 (wahrscheinlich hat er sich überfressen ...). 

 

Das bricht Lafayette das Herz. Sein Wunsch ist, dass Beauty auf einem normalen Friedhof beerdigt wird. Dies wird ihm aber nur deshalb gestattet, weil er verspricht, sich selbst zu gegebener Zeit ebenfalls in dieser Gruft beerdigen zu lassen. 

 

Diese Stunde schlägt früher als gedacht. Neun Tage nach seinem Hündchen stirbt auch Lafayette zusammen mit zehn seiner Leute bei einem verheerenden Brand, der während einer Vorstellung auf der Bühne des Empire Theater in Edinburgh ausbricht. 

 

Lafayettes Leichnam wird ins Krematorium geschickt und seine Beerdigung vorbereitet. Doch zwei Tage später findet man eine weitere Leiche Lafayettes – diesmal ist es die richtige. – Was war passiert? – Ein letzter Kostümwechsel mit seinem Double kurz vor Ausbruch des Feuers – Tusch!

 

Houdini kommentiert das Ereignis mit den Worten: „Er hat sie im Leben genarrt und er hat sie im Tod genarrt, ich bewundere ihn!“

 

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Quelle: Angel Idigoras Adventures of 51 magicians and a fakir