Paul Potassy

Der charmante Elegante

 

 

Deutsch-österreichisch-ungarischer Zauberkünstler
1923–2018

 

 

 

 

 

 

Paul Potassy entstammt einer typischen österreichisch-ungarischen Ehe. Sein Vater ist Ingenieur und stammt aus Ungarn, seine Mutter ist die Tochter eines Wiener Direktionsrats. Mit dreizehn Jahren erlebt Paul seine erste Zaubervorstellung, eine zweistündige Show des Grazer Kartenkünstlers Morelli, der als „lustiger Zauberer“ auftritt. Paul weiß nun, was er werden will: Zauberkünstler!


Im März 1938 erfolgt der sogenannte „Anschluss Österreichs“, die Eingliederung in das nationalsozialistische deutsche Reich, wodurch die Potassys deutsche Staatbürger werden. Die Familie lebt jetzt in Berlin, wo Paul 1941 sein Abitur abgelegt. Nebenbei wird gezaubert. Mit 17 Jahren hat er seinen ersten semiprofessionellen Auftritt, dieser sollte der Beginn einer kometenhaften Karriere werden, die ihn in den nächsten fünf Jahrzehnten in die besten Häuser rund um den Globus führt.
Was ihn auszeichnet, sind nicht die Kunststücke, die er vorführt, denn die zeigen auch andere. Es ist also nicht das „Was“, sondern das „Wie“, das ihn zu einem der erfolgreichsten Zauberkünstler werden lässt.


Paul Potassy präsentiert sein Programm in einer unnachahmlichen und charmanten Art und Weise, die ihn sofort zum Publikumsliebling werden lässt und er plaudert dabei mit seinen Zuschauern in Deutsch, Englisch, Ungarisch, Russisch und Spanisch. Je nachdem, wo es hingeht, nimmt er einige Stunden Sprachunterricht in der Landessprache und prägt sich seinen Text in den Sprachen seiner Auftrittsorte ein, was ihn sofort für jedes Publikum sympathisch macht. Er will als „Artist“ mit seinen Kunststücken gefallen und auch als Person die Menschen für sich einnehmen, denn er hat die Erfahrung gemacht, das dies überlebenswichtig sein kann –

1943 – Die Schlacht um Stalingrad ist für die Deutschen zu einer vernichtenden Niederlage geworden, die eingekesselte 6. Armee hat sich ergeben. Auch in den rückwärtigen Gebieten befinden sich die deutschen Truppen auf dem Rückzug.


Paul Potassy berichtet:


„Am 25. Februar 1943 musste ich mit zehn Kameraden eine vorgeschobene Beobachtungsstellung auf einem Hügel einnehmen. Ich als Maschinengewehrschütze 1 hatte zur Selbstverteidigung eine Pistole. Die Gegend war tief verschneit und bei Temperaturen von minus 25 Grad Celsius war es bitterkalt. Als es um 5 Uhr morgens dämmerte, griff ein russisches Bataillon mit vier Panzern und 300 Mann unsere Stellungen an. Angesichts dieser Übermacht sprangen wir aus dem Schützengraben und rannten um unser Leben – zurück zur deutschen Linie, die sich aber unter dem russischen Ansturm auch schon auflöste.


Ich war am Ende meiner Kräfte und sagte mir, Du hast genug. So warf ich mich rücklings auf meine Pistole in den Schnee, zog die Kapuze über den Kopf und stellte mich tot. Der russische Angriff ging über mich hinweg. Ich lag still mit geschlossenen Augen zwischen toten und schwerverwundeten Soldaten. Nach einer Viertelstunde hörte ich Stimmen, blinzelte unter meiner Kapuze hervor und erkannte zwei russische Soldaten, die mit aufgepflanztem Bajonett die Toten nach Wertgegenständen und ihren Erkennungsmarken durchsuchten.


Sie rochen gegen den Wind nach Wodka und wandten sich mir zu. Einer von ihnen zog mein Zigarettenetui aus der Uniformtasche und steckte es ein. Er fuhr mit seiner Suche fort und schob seine Hand unter meinen Körper. Dort fand er die versteckte Pistole. Trotz des Wodkas wurde dem Sibirer schnell klar, dass es seltsam ist, wenn ein toter Soldat eine Waffe versteckt hatte, und er riss mir die Schneehaube ab.Ich öffnete meine Augen. Er entsicherte meine Pistole  und hielt sie mir an die Schläfe. Ich dachte, das sei das Ende und hatte im selben Augenblick die rettende Idee, das Wort „Artist“ zu stammeln. „Artist“ – Artist“. Mit zittrigen Fingern zeigte ich auf die Uniformtasche, in der sich ein Kartenspiel befand, öffnete den Knopf, zog das Kartenspiel heraus und begann bei minus 25 Grad zu manipulieren, während der Russe die Pistole auf mich gerichtet hielt, jederzeit bereit abzudrücken. Ich ließ Karten verschwinden und erscheinen, zog welche von hier und dort aus der Uniform. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Orte gefunden, an denen ich Karten erscheinen lassen konnte.
Der Russe begann zu lächeln und rief zu seinem Kameraden ‚Juri, Juri, Juri, sieh ihn dir an!‘. Ich machte weiter und er ließ die Pistole sinken – mein Leben war gerettet. Beide Russen lachten.


In diesem Moment begannen die Deutschen einen Gegenangriff, und um uns herum krachte es und zischten die Kugeln im Schnee.Schnell brachten mich die beiden Russen hinter einen Hügel in Deckung. Dann führten sie mich vierhundert Meter weiter nach hinten zu ihrem Kommandeur, und sofort musste ich wieder Kartentricks zeigen. Und das habe ich die ganzen 360 Kilometer, die wir von dort bis zum ersten Gefangenenlager marschieren mussten, fortgesetzt, ich habe nichts anderes gemacht als Kartentricks und Kartentricks und Kartentricks ...“

Paul Potassy zaubert in der Kriegsgefangenschaft weiter für das Wachpersonal und die anderen Gefangenen. Er kann so eine privilegierte Stellung einnehmen, die ihm unter den erbärmlichen Umständen im Gefangenenlager mit Kälte, Hunger und Krankheiten das Überleben sichert. 1947 wird er aus der Gefangenschaft entlassen.

Quellen:
Persönlichkeiten in der Zauberkunst Nr. 21 Paul Potassy,