Bernard Marius Cazeneuve
Abenteuerlicher Ordensträger
Französischer Zauberkünstler
1839–1913
Bernard erlebt mit dreizehn Jahren in seiner Vaterstadt Toulouse einen Auftritt Bartholomeo Boscos. Er ist begeistert und wenig später Assistent des berühmten Zauberkünstlers. Nach drei Jahren Lehrzeit bereist Bernard die nächsten viereinhalb Jahrzehnte mit seiner eigenen Zaubershow Europa, Afrika und Amerika .
Er ist klein an Statur, aber groß vom Ego und er weiß sich sichtbar zu machen. Dazu verhilft ihm sein umfangreiches Repertoire an Zauberkunststücken, die er vortrefflich beherrscht, wie bspw. das
Becherspiel, der Eierbeutel, der verschwindende Vogelkäfig, natürlich Kartenkunststücke – er soll der erste sein, der eine Spielkarte in einer Frucht erscheinen lässt – aber auch
Mentalkunststücke und als Krönung die Enthauptungsillusion.
Außerdem ist Cazeneuve ein Werbeprofi, so lässt er in New York Reklamezettel regnen, die er eigenhändig aus einem Heißluftballon auf die Passanten wirft. Gerne zeigt er sich hoch zu Ross
und mit unzählichen Orden und Ehrenzeichen behängt. Im Deutsch-Französischen Krieg dient er als Sanitätsoffizier, was ihm mehrere Auszeichnungen einbringt. Die Verleihung des Mecidiye-Ordens in
Konstantinopels berechtigt ihn zum Tragen des Ehrentitels „Commandeur“, seitdem nennt er sich als Zauberkünstler „Le Commandeur Cazeneuve“. Der Commandeur sucht Abenteuer und Ehren und versammelt
schließlich auf seiner Brust rund 70 Andenken an ebensoviele waghalsige Ereignisse.
Das Tollste an solchen Begebenheiten spielt sich 1866 in Madagaskar ab, wohin Cazeneuve im Auftrag der französischen Regierung reist, um dort den Einfluss Englands zurückzudrängen. Auf dem Thron
der Insel sitzt die dreiundzwanzigjährige Königin Ranavalo Manjaka III., die freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich befürwortet. Doch die eigentliche Macht liegt bei ihrem Ehemann, einem
alten Gauner, dem es gelungen war, die beiden vorherigen Königinnen zu ehelichen, was ihm den Posten des Premierministers sicherte und der mit den Engländern paktieren möchte.
Cazeneuve gibt eine Vorstellung für die Königin und ihren Hofstaat, den Premierminister und weitere Honoratioren, in deren Verlauf auf einer leeren Tafel ein Schriftzug erscheint: „Euer Land kann
nur von Frankreich gerettet werden“. Der Hof ist verblüfft. Die Fürsprecher einer Annäherung an England sind verstummt. Der Premierminister vertieft sich in eine Unterhaltung mit dem
französischen Generalkonsul.
Am nächsten Tag bricht ein Brand aus, der ein ganzes Stadtviertel zerstört. Vom Balkon ihres Palastes aus beobachtet die Königin einen kleinen Mann, der sich mit einer Axt den Weg in brennende
Gebäude bahnt, um Menschleben zu retten: Cazeneuve, der die Königin damit bereits zum zweiten Mal überrascht, woraufhin sie ihn in ihren Palast einläd. Während ihrer Unterhaltung bahnt sich die
dritte Überraschung an, denn die Königin erfährt, dass Cazeneuve u.a. auch Medizin studiert hat. Sie schildert ihm die Symptome einer Krankheit, die sie seit einiger Zeit bedrückt und er
diagnostiziert treffsicher eine Depression, die zu heilen er sich selbst sogleich anbietet. Nach einigen Therapiesitzungen geht es der Königin viel besser und sie zeigt ihm ihre Dankbarkeit und
noch ein bisschen mehr. Le Commandeur Cazeneuve beschließt, dass damit seine Mission erfüllt sei und reist mit einigen weiteren Medallien für seine Sammlung wieder ab.
1896 kann sich Frankreich gegen den Widerstand vieler Madagassen als Kolonialmacht etablieren. Als Manifestation und Symbol der Machtübernahme wird noch im gleichen Jahr die letzte Königin der
Insel Ranavalona Manjaka III. abgesetzt; Madagaskar ist nun eine französische Kolonie.
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Quellen:
Angel Idigoras: Adventures of 51 Magicians and a Fakir
Zauberlexikon der Stiftung Zauberkunst
Wittus Witts Zauberpedia .