Der Grundstein für seine spätere Karriere wird William von seinem Vater gelegt. James Cambell Robinson bestreitet als Unterhaltungskünstler mit Gesang, Bauchreden und Zauberkunststücken den Lebensunterhalt seiner Familie und schon bald ahmt „Billy“ seinen Vater nach und verblüfft Freunde und Verwandte mit kleinen Zaubertricks. Doch es fehlt ihm das Talent zum Singen und insbesondere die Sprachgewandtheit des Vaters. Dieses Manko gleicht er dadurch aus, dass er auf Gesang verzichtet und beim Zaubern überwiegend seinen Bruder für sich sprechen lässt. Da jedoch der Durchbruch als Zauberkünstler auf sich warten lässt, ergreift er zunächst den Beruf des Metallschlossers.
1887 wird er für fünf Jahre Gehilfe von Harry Kellar, eröffnet danach für kurze Zeit ein eigenes Zaubergeschäft, um dann Bühnenmeister bei Alexander Herrmann zu werden. Nach dessen Tod arbeitet
er mit Adelaide und Leon Herrmann bei der „Großen Herrmann-Show“. So erwirbt er sich im Laufe vieler Jahre ein gründliches Wissen über Illusionsbau, Zauber- und Bühnenkunst.
Im Februar 1883 heiratet er seine Assistentin Bessie Smith. Schon im Dezember wird er aus einer anderen Beziehung Vater einer Tochter, zwei Jahre später kommt dann ein ehelicher Sohn zu Welt.
Weil sich Bessie nun mehr um diesen Sohn als um ihre Assistentenrolle kümmern muss, sucht sich William eine neue Assistentin und Gefährtin, die er in Olive „Dot“ Path findet. Er wird nie
rechtsgültig von Bessie geschieden, aber 20 Jahre lang „Dot“ als seine Frau ausgeben, und mit einer weiteren Frau, Louise Blatchford, zusammenwohnen und drei Kinder haben. Daneben gibt es noch
eine Estrelle und einige weitere Affären und Liebschaften ...
Bei einem Gastspiel in Europa Ende der 1880er Jahre sieht er William Ben Ali Bey (Max Auzinger) bei der Vorführung des neuentwickelten „Schwarzen Theaters“. Kurz darauf tritt erstmals Achmet Ben
Ali mit seinem „Schwarzen Theater“ vor das amerikanische Publikum. Achmet Ben Ali, Nam Saib, Abduhl Khun, Robinson - The Mystery Man und Hop Sing Soo sind niemand anderes als unser Freund
William.
Aber weltbekannt wird William erst als Chung Ling Soo, dem Namen, unter dem er im Jahr 1900 bei seinem Londoner Debüt zusammen mit seiner „chinesischen Ehefrau“ Sue Sen („Dot“) sein Publikum
begeistert. Dieser Name, wie auch das ganze Programm chinesischer Zauberkunst, kann in gewisser Weise auch als ein Racheakt an Ching Ling Soo (siehe Folge 36) interpretiert werden.
William schlüpft vollständig in die Chinesenrolle: Dazu gehören eine perfekte Kostümierung mit Perücke und langem Chinesenzopf und eine abenteuerliche Legende über seine Herkunft für die
Öffentlichkeit. Auf der Bühne spricht er gar nicht und bei Gesprächen mit Journalisten lässt er einen Dolmetscher für sich sprechen – ein Muster, das wir schon aus seinen Kindertagen kennen.
Chung Ling Soo hat Erfolg – großen Erfolg. Er entwickelt neuartige sensationelle Illusionen und tourt damit um die Welt. Sein Wochengehalt bei der Australientournee 1909 ist mit 400 Pfund doppelt
so hoch wie das des Generalgouverneurs. Und Erfolg zieht Nachahmer an: Chung Ling Sen, Chung Ling Hee, Ching Ling Fee u.a. versuchen, an seinen Erfolgen zu partizipieren.
Williams bekanntestes Kunststück stammt allerdings nicht aus der chinesischen Tradition, sondern ist der altbekannte Kugelfang, ein Kunststück, das schon einigen Sensationsdarstellern zum
Verhängnis wurde. Chung Ling Soo wird ein weiteres Opfer dieses Tricks. Tödlich verletzt bricht er am 23. März 1918 in London auf offener Bühne bei der Vorführung des Kugelfangs zusammen. Seine
einzigen jemals in Englisch auf der Bühne gesprochenen Worte sind auch seine letzten: „Mein Gott – ich bin getroffen – VORHANG!“
Natürlich schießen sofort die Gerüchte ins Kraut, was bei der schillernden Persönlichkeit von William kein Wunder ist: Mord aus Eifersucht? Mordkomplott der Konkurrenz? Selbstmord wegen einer
unheilbaren Krankheit oder wegen hoher Schulden? Bei der anschließenden höchstrichterlichen Untersuchung stellt sich heraus, dass Williams Tod ein Unfall war, der durch die unterbliebene
regelmäßige Wartung des Unglückgewehrs, einer Waffe mit einem geheimen Trickmechanismus, verursacht wurde.
Doch wie das nun mal so ist, Fakten haben es schwer gegen Fake News. Und so findet sich noch heute allerorten in der Fachliteratur die Behauptung, dass die Hintergründe dieses Todesfalls nie
restlos aufgeklärt wurden und für immer ein Geheimnis blieben.
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Quellen:
Angel Idigoras: Adventures of 51 Magicians and a Fakir
Jens-Uwe Günzel: Der Tod des Chung Ling Soo in Magie 4/2018
Milbourne Christopher: The Illustrated History of Magic
wikipedia