Dario Paini

Kartenmeister und Schattenspringer

 

  

 

 

Deutsch-Österreichischer Zauberkünstler

1867 - 1935

Als Dario geboren wird, ist die Welt noch in Ordnung, denn es ist die „gute alte Zeit“ mit Kaisern und Königen und ziemlich klaren Verhältnissen. In Österreich-Ungarn, wozu Darios Geburtsstadt Trient gehört, herrscht Kaiser Franz Josef und Darios Vater steht als Magistratsbeamter in dessen Diensten. Die Familie stammt aus der Gegend von Rom. Dario wächst zweisprachig auf. Er spricht zeitlebens ein perfektes Deutsch, veredelt mit leichtem italienischen Akzent.

 

Da der Vater von Amtswegen für die Platzvergabe an Zirkusse und Schausteller zuständig ist, kommt Dario schon früh mit dieser Wunderwelt in Kontakt. 1875 begegnet er dem italienischen Gaukler Nicola Ferari, der sein Talent erkennt und ihn in allen Sparten der Taschenspielerkunst unterweist. Schon bald gibt Dario seine ersten Vorstellungen auf dem Trienter Volksfest und wird anerkennend „Wunderknabe Dario“ gerufen. In der Familie ist eine künstlerische Ader angelegt und Darios Berufswunsch ist demzufolge Maler und Bildhauer. Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwingen ihn jedoch, sein Studium an der Kunstschule abzubrechen und sein Zauber-Hobby zum Erwerbsberuf zu erheben.

 

1886 debütiert er in München. Dann trifft man den gut aussehenden jungen Mann in den feinen Salons der Wiener Gesellschaft von der er – „Küß‘ die Hand“ – gerne weiterempfohlen wird.

 

Der Baumeister Christian Fronecke aus Schönebeck bei Magdeburg ist Mitglied eines Wohltätigkeitsvereins, wie es sie zur Kaiserzeit vielerorts gibt und die ihren wohlhabenden Mitgliedern die Möglichkeit bieten, Gutes zu tun. Zum Jubiläum des Vereins soll eine Attraktion aufgeboten werden und man empfiehlt dem Baumeister einen eleganten Zauberkünstler mit verblüffendem Repertoire und sympathischem Akzent, Dario Paini aus dem fernen Oberitalien.

 

Dario Painis Auftritt in Schönebeck wird ein grandioser Erfolg, das Publikum ist hingerissen, die Honoratioren sind begeistert und Auguste, des Baumeisters schöne Tochter, hat ihr Herz verloren.

 

Die „gute alte Zeit“ war auch eine durch und durch patriarchalische und natürlich ist Dario ein Kind dieser Zeit und darüber hinaus auch eines aus katholischem Hause und mit römischen Wurzeln. Und nun steht da so ein hübsches junges Ding und erklärt voller Selbstbewusstsein: bei aller Liebe – sie werde keinesfalls katholisch werden und auch nicht nach Italien ziehen.

 

Was jetzt passiert, ist das größte Kunststück, das Dario jemals vollbringt: Er springt über seinen eigenen Schatten und gleich noch über den Schatten der gesamten „guten alten Zeit“. Dario erklärt, er werde nach Deutschland übersiedeln und evangelisch werden!

 

Vor Dario Paini liegt eine außerordentlich erfolgreiche Karriere, er wird zum berühmtesten Kartenkünstler der Kaiserzeit aufsteigen, gefeiert, hochangesehen und mit vielen Auszeichnungen und Ehren bedacht. Er gastiert in Adelshäusern und auf allen großen Bühnen, wird bewundert und beneidet und viele seiner Kunststücke und Experimente werden vom staunenden Publikum zum Stadtgespräch gemacht.

 

Doch alle noch so phänomenalen Zauberkünste reichen nicht heran an das Kunststück, bei dem er über den eigenen Schatten springt, was ihm solche menschlichen Werte wie Toleranz, Empathie und Bescheidenheit ermöglichen.

 

Wären in diesen Tagen solche Eigenschaften weiter verbreitet gewesen, gäbe es die „gute alte Zeit“ vielleicht noch heute.

 

--------------------------------------------------------------------

Quelle: Persönlichkeiten in der Zauberkunst 10 - Dario Paini