Erik Jan Hanussen

Hellseher und Dunkelmann

 

 

 

 

Österreichischer Täuschungskünstler

1889 - 1933

Das Leben von Erik Jan Hanussen wurde zweimal verfilmt und auch in einer dreiteiligen Serie des DDR-Fernsehens nachgezeichnet. Allein das ist schon ein Indiz dafür, dass von diesem Mann offenbar eine große Faszination auf seine Mitmenschen ausging.

Geboren wird Hanussen als Hermann Chajm Steinschneider in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines jüdischen Schmierenkomödianten. Er wächst im Varieté-Milieu auf. Mit 13 läuft er von zuhause fort und schlägt sich auf mehr oder minder legale Weise durch. Er versucht sich als Chansonnier und Schauspieler und tritt in Zirkussen als Kunstreiter und Reckakrobat auf. Dabei kommt er in Kontakt mit Sensationsdarstellern und Zauberkünstlern und erlernt ihre Tricks. Er betreibt das „erste elektrische Kettenkarusell der Welt“, dessen Antrieb in Wirklichkeit aus verborgenen Kindern besteht und er betätigt sich als erpresserischer Gesellschaftsreporter. Er nimmt Lehrstunden bei Labéro und Rubini und erlernt die Fähigkeiten eines „Experimental-Psychologen“ wie Muskellesen, Show-Hypnose, Hellsehen mittels Zettellesens. Außerdem eignet er sich ein umfangreiches Wissen um okkulte Praktiken an.

Im Wien der Habsburger, in dem sich zu dieser Zeit auch ein gleichaltriger Mann namens Adolf Hitler erfolglos als Kunstmaler versucht, macht Hermann die Erfahrung, dass eine jüdische Abstammung einer Karriere eher hinderlich ist. Nach einer Reihe von Pseudonymen und Künstlernamen nennt er sich fortan Erik Jan Hanussen und rühmt sich seiner dänischen Herkunft.

Damit besitzt er nun tatsächlich fast alles, was für eine glänzende Karriere (als Hellseher) nötig ist:
Er verfügt über die nötigen tricktechnischen Fachkenntnisse und -fähigkeiten,
er hat die passenden persönlichen Eigenschaften wie Charisma und Mutterwitz, eine große Menschenkenntnis und rasche Kombinationsgabe. Er ist intelligent, schlagfertig und ein Meister des Bluffens und er weiß, absolut selbstsicher aufzutreten. Dazu gesellen sich noch Frechheit und Skrupellosigkeit.
Und jetzt hat er auch noch einen eingängigen Namen, der bei den Menschen Interesse weckt.

Was nur noch fehlt, ist das Quäntchen Fortüne, jenes Schmiermittel, das einer Karriere zum Durchbruch verhilft. Diesmal tritt es in Gestalt von Justitia auf den Plan: Nach Jahren, in denen Hanussen mit Sensationsdarstellungen und eher bescheidenem Erfolg durch die Welt tingelt, muss er sich wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Der Prozess dauert von 1928 bis 1930 und wird von der gesamten Presse aufmerksam verfolgt. Hanussen kann im Gerichtssaal Proben seiner „hellseherischen Fähigkeiten“ abgeben und der Prozess endet in einem spektakulären Freispruch. Hanussen erlangt dadurch eine Prominenz, die ihm in Berlin Tür und Tor öffnet. Er passt genau in diese Zeit der untergehenden Weimarer Republik, in der man sich gerne auch fragwürdigen Vergnügungen hingibt. – In Zeiten großer Unsicherheit haben Leute Erfolg, die den Menschen vorgaukeln, die Kontrolle zu haben und einen Blick in die Zukunft werfen zu können. Die Wirkung, die von einer solchen Persönlichkeit ausgeht, lässt sich nicht in moralischen Kategorien erfassen. Sie kommt den geheimen Hoffnungen und Erwartungen ihres Publikums entgegen, das begierig einfache Antworten sucht und staunend und erschaudernd Übernatürliches erleben möchte. Der Glaube des Publikums macht die Wundermänner erst zu dem, was sie behaupten zu sein.

Hanussen feiert in Berlin spektakuläre Erfolge, er füllt die Klatschspalten der Zeitungen und avanciert zum berühmtesten Hellseher seiner Zeit. Schon bald sucht er die Nähe zu den Nationalsozialisten, denen er sich publizistisch und mit Geldzuwendungen andient, denn er ahnt, dass dies die kommenden Machthaber sind. Doch offenbar versagt hier seine Menschenkenntnis, denn damit lässt er sich mit einem Publikum ein, das den Vorführenden erschießt, wenn ihm an dessen Programm etwas missfällt. Schon bald nach der „Machtübernahme“ 1933 wird Hanussen den neuen Herrschern unbequem, er wird verhaftet und von einem Nazi-Mordkommando liquidiert. Über die genauen Auftraggeber und tatsächlichen Gründe dieser Tat wird bis heute noch spekuliert.

 

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Quelle: Persönlichkeiten in der Täuschngskunst 14 - Hanussen