Dass unser Freund William Robinson alias Chung Ling Soo Opfer des sogenannten Kugelfanges wurde, war – wie wir bereits in der vorigen Folge angedeutet haben – kein singuläres Ereignis. Vielmehr reiht sich William in eine lange Kette von auf der Bühne zu Tode gekommener Künstler ein.
Bestimmt erinnern Sie sich noch an unseren Helden No. 25, Siegmund Neuberger – Der Große Lafayette, der bei einem verheerenden Brand auf der Bühne des Empire Theaters in Edinburgh sein
Leben ließ.
Doch Missgeschick und Unglück, wie in den beiden vorgenannten Fällen, sind nicht die häufigsten Ursachen des Sterbens auf der Bühne. Die größten Verursacher plötzlichen Todes sind – wie im
normalen Leben auch – der Herzinfarkt und der Schlaganfall. Dem deutschen Zauberkünstler kommen dabei Willy Uferini († 1944), Cortini († 1954) oder auch P. C. Socar
(†1971), der indische Kontrahent von Kalanag, in den Sinn.
Besonders makaber war das Ableben des britischen Comedy-Zauberkünstlers Tommy Cooper († 1984), dessen Tod von Millionen Zuschauern am Fernseher verfolgt und vom Saalpublikum, das
irrtümlich annahm, diese Szene gehöre zur Vorstellung, herzlich belacht und beklatscht wurde.
Wir wollen uns aber im Folgenden auf unnatürliche Ereignisse mit Todesfolge beschränken. Während beispielsweise Kartenkünstler oder Kinderzauberer etwa dem gleichen Ablebensrisiko unterliegen wie
Normalsterbliche, bewegen sich Sensationsdarsteller, deren Kunststücke nicht nur lebensgefährlich aussehen sollen, sondern dies in der Tat auch sind, in einer ganz anderen Gefahrenklasse.
Besonders der „Kugelfang“ ist auch eine Geschichte von Pannen, wie bei Chung Ling Soo († 1918), der seine Waffen nicht ordentlich wartete oder Pech wie bei Arnold Buck († 1840).
Arnold Buck vergriff sich in der Wahl seines Zuschauerassistenten und erwischte einen von der missgünstigen Sorte, nämlich jener, die es darauf anlegt, den Vorführenden ihre Kunststücke
zu vermasseln. Zusammen mit der Trickkugel, die in Wirklichkeit nur eine Platzpatrone war, lud dieser Zeitgenosse auch noch unbemerkt ein paar Nägel in der Lauf der Pistole und feuerte dann auf
Arnold, der tödlich getroffen zusammenbrach.
Unbestätigten Gerüchten zufolge soll zwei Jahrzehnte früher der indische Zauberkünstler Kia Khan Khruse von einem Zuschauer in Dublin erschossen worden sein, der die ihm gereichte
Trickwaffe beiseite legte und seine eigene Pistole benutzte.
Auch bei H.T. Sartell – The Black Wizzard of the West († 1922) versagte die Menschenkenntnis bei der Auswahl des „Todesschützen“. Er bestimmte zu diesem Amt allerdings keinen
Unbekannten, sondern seine eigene Frau. Diese nutzte die Gelegenheit, tauschte die Wachskugeln gegen echte Kugeln aus und erschoss ihren Gatten vor den Augen des entsetzten Publikums.
Professor Adam Epstein († 1869) verwendete seinen Zauberstab, um Pulver und Kugel in den Lauf eines Gewehrs zu laden. Ihm wurde zum Verhängnis, dass sich bei diesen Vorgang vom hölzernen
Stab ein Splitter ablöste, der ihm beim darauffolgenden Schuss die Stirn durchbohrte.
In die Literatur ging der Unglücksfall von Arnstadt ein. Der Professor der Physik und Magie Louis von Linsky aus Warschau und seine Ehefrau Emilie von Linsky veranstalteten am
7. November 1829 im Arnstädter Rathaussaal eine „mechanisch-physikalische Vorstellung“. Dabei sollte unter anderem die „Kugelfestigkeit“ der Frau von Linsky unter Beweis gestellt werden.
Herr von Linsky hatte sich hierzu vier Soldaten erbeten und diese vorher so instruiert, dass sie die von ihm dem Publikum vorzuzeigenden scharfen Patronen bei der Aufführung so
abzubeißen hatten, dass sie die Kugel im Munde behalten und nur das Pulver laden sollten. Einer der vier Männer biss irrtümlich die falsche Seite ab, behielt das Papier im Mund und lud die Kugel.
Beim Abfeuern wurde Frau von Linsky so schwer verletzt, dass sie tags darauf verstarb.
Die Meldung von dem tragischen Unfall verbreitete sich europaweit, und wurde selbst in Amerika – und dort sogar noch bis 1835 immer wieder als „Neuigkeit“ – gedruckt.
1862 verarbeitete die Arnstädter Bestsellerautorin Eugenie Marlitt (1825–1887) den Vorfall für ihren Roman „Das Geheimnis der alten Mamsell“, der ab 1863 in Fortsetzungen in der
Zeitschrift „Gartenlaube“ veröffentlicht und bis heute in zahlreichen Auflagen nachgedruckt und zweimal verfilmt wurde.
Doch nicht nur der „Kugelfang“ kann tödlich enden, auch mit anderen Stunts haben sich etliche Zauberkünstler vom Leben zum Tode befördert.
Dies soll unser Thema der Folge No. 39 sein.
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Quellen: Sammlung Stephan Oettermann
wikipedia und das www